Generationen und Kulturen zusammen für eine bunte Stadt!

Interview mit Lisi Brizuela, unsere Gründerin.

1- Leb Bunt, ein farbenfroher Name, um eine NGO zu beschreiben, die die Stadt mit vielen Projekten der sozialen Integration bemalen wird! Erzähle uns Lisi: Wie begann alles?

In Argentinien habe ich mich immer für soziale Projekte bei verschiedenen NGOs engagiert und als ich nach Deutschland eingewandert bin wollte ich hier das gleiche machen. Leider war das nicht so einfach wie ich dachte.
Fließende Deutschkenntnisse waren eine Voraussetzung. Es gab so viele Schritte vor dem eigentlichen Start zu tun oder es hatte endlich mit einer Organisation geklappt, aber es gab kein Eingliederung bzw. keine Erklärung der ehrenamtlichen Tätigkeit. Ich erinnere mich, dass ich bei einer Organisation als Freiwillige zum ersten Mal war und es gab keine Einführung, keine Vorstellung. Sie hatten einfach über ein Thema geredet und das war´s. Ich wusste nicht was ich hätte tun können/müssen.
Mein größter Traum war es für einen NGO hauptamtlich zu arbeiten, aber meine Erfahrung bestand nur auf ehrenamtliche Tätigkeiten in diesem Bereich. Somit hatte ich keine Chance auf dem deutschen Markt.

1-2 Wie ging es weiter?

Ich zog also nach Deutschland, wollte Deutsch lernen und mich integrieren, aber ich hatte meine Probleme. Im Sprachkurs hatte ich die Theorie gelernt, doch die Praxiserfahrung fehlte. Ich versuchte es mit mehreren Tandems, aber es hat nicht immer funktioniert.
Entweder waren die Personen sehr beschäftigt und es war schwer einen Termin zu vereinbaren oder wir hatten uns getroffen, aber keine gemeinsamen Interessen und somit kein Konversationsthema oder es hatte super gepasst und wir haben uns dennoch nie wiedergesehen.
Leider spielen diese Kleinigkeiten eine große Rolle, wenn man neu in einem Land ist und versucht, die Sprache zu lernen und sich wie zu Hause zu fühlen.

Schließlich fand ich einen Job in dem ich Englisch sprechen musste. Deutsch habe ich in dieser Zeit nur sehr wenig gelernt. Genau dieses Problem hatten viele meiner Freund*innen in München.
Gleichzeitig bemerkte ich viele ältere Menschen die nach Pfandflaschen im Müll suchten. Ich informierte mich und fand heraus, dass das Rentensystem in Deutschland nicht so gut ist wie ich dachte. Ich wollte diesen Menschen helfen.
Diesen beiden Personengruppen wollte ich helfen. 
2017 versuchte ich es mit einem ersten Projekt, aber leider hat es nicht funktioniert. Es gab Interesse von den Einwander*innen, aber nicht von den Senior*innen. 2018 habe ich es nochmals versucht, aber anstatt des Themas Altersarmut habe ich Alterseinsamkeit gewählt und es hat funktioniert!

1-3 Was treibt dich voran?
Meine größte Motivation das Projekt zu machen und weiterzuentwickeln ist, dass ich nicht möchte, dass andere Einwander*innen die gleichen Erfahrungen machen wie ich.
Alle sollten die Möglichkeit haben die Sprache zu lernen, zu üben und sich zu integrieren. Meine Idee besteht nicht nur darin mit älteren Menschen Deutsch zu lernen, sondern auch die Einsamkeit von beiden Seiten zu überwinden, sodass sich alle wohl und wie zu Hause fühlen. Dafür bilden wir auch eine Community, in der sich alle gegenseitig unterstützen und Freundschaften schließen können.
Als das Projekt funktionierte, war es Zeit einen gemeinnützigen Verein zu gründen. Er sollte als Dach nicht nur für Das Hallo Projekt, sondern auch für weitere Projekte dienen. So wurde Leb Bunt e.V. gegründet.
Ziel ist es Senioren*innen eine aktive Teilhabe am Kultur- und Gesellschaftsleben zu ermöglichen und Beziehungen sowie Netzwerke zu anderen Personen- und Kulturkreisen aufzubauen und Einwanderer in das Gesellschaftsleben zu integrieren und gleichzeitig zu gesellschaftlichem Engagement und Verantwortungsbewusstsein zu ermutigen.
Die Vereinstätigkeit soll somit der Zusammenführung beider Personenkreise dienen und die generationenübergreifende Kommunikation ermöglichen und fördern.
Hieraus ergibt sich schlussendlich eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben für beide Personenkreise, aber auch ein Abbau von gegenseitigen Vorurteilen sowie eine Förderung der Toleranz. Dies ist der Verwirklichung des Gedankens der Völkerverständigung förderlich.
Unser Name Leb Bunt repräsentiert genau unsere Vision, eine offene und bunte Gesellschaft für alle, ein buntes Leben.

2- Leb Bunt fördert den generationsübergreifenden und interkulturellen Austausch. Warum ist es für dich wichtig, die Distanz zwischen den Generationen abzubauen?

Die Antwort ist einfach, weil man so viel voneinander lernen kann!
Bei uns können die Einwanderer nicht nur über die deutsche Kultur und die deutsche Sprache lernen, sondern auch viel über andere Generationen und Kulturen. Die Senioren teilen ihre persönliche Geschichte, Lebenserfahrungen, Kenntnisse über Deutschland und gleichzeitig erfahren sie so über anderen Kulturen. Es gibt einen Austausch über kulturelle Eigenheiten, Traditionen, über das Leben früher in Deutschland, das Leben in anderen Ländern, aber im Moment auch viel über die digitale Welt. Unsere Generation kann so viel von älteren Generationen lernen und diese wiederum von uns.
In einer lockeren und vertrauensvollen Atmosphäre kommen verschiedene Generationen und Kulturen zusammen, um sich kennenzulernen, voneinander und miteinander zu lernen und sich gegenseitig zu helfen. Wir duzen uns und das bricht schon die Barriere des Alters, da die Senioren sich nicht als Senioren fühlen und die Einwanderer sie nicht als solche sehen.

3- Erzähl uns etwas über den „Erstgeborenen“ in der Familie Leb Bunt: Das Hallo Projekt.

Das Hallo Projekt ist eine im April 2018 entstandene Initiative, welche den generationsübergreifenden und interkulturellen Austausch zwischen Senioren und Einwanderern fördert und aktiv dazu beiträgt, die Einsamkeit beider Gruppen gemeinsam zu überwinden.
Das Projekt besteht aus drei Teilen: Gemeinsame Aktivitäten, einem Tandem-Programm und Community-Veranstaltungen für Einwanderer.
Zu den gemeinsamen Aktivitäten zählen Spaziergänge sowie Spiel-, Kulturabende und Diskussionsrunden, bei denen sich beide Gruppen kennenlernen, austauschen und Vorurteile abbauen können.

Beim Tandem-Programm werden jeweils ein Senior und ein Einwanderer basierend auf gemeinsamen Interessen, Hobbys und ihrem Wohnort zusammengebracht. Im Gespräch können sie ihre Deutsch- bzw. Fremdsprachkenntnisse verbessern.
Bei den Veranstaltungen für Einwanderer lernen sich unsere Teilnehmer durch lockere und informelle Veranstaltungen kennen, haben die Möglichkeiten sich auszutauschen, gegenseitig zu helfen und Freundschaften zu schließen.

Wir schaffen so ein intergenerationelles und interkulturelles Miteinander.

Mittlerweile haben wir 90 Gruppen-Aktivitäten organisiert und wir zählen ein Team von 31 Ehrenamtliche und 4 Praktikant*innen und 14 Kooperationspartner.

4- Kürzlich wurde das Das Hallo Projekt für eine ZDF-Reportage gefilmt. Wie war die Erfahrung für dich?

Es war das erste Mal, dass wir in einer TV-Reportage aufgenommen wurden. Ich war sehr aufgeregt und glücklich, dass wir so eine Chance bekommen haben!
Dies ist eine sehr gute Möglichkeit, um unser Projekt bekannter zu machen und mehr Leute zu erreichen. Dank der guten Teamarbeit und Organisation ist alles super gelaufen und wir hatten viel Spaß!


5- Sharing is caring! Plant ihr eine engere Zusammenarbeit mit anderen NGOs und Verbänden?

Ja, unbedingt! Wenn es nach mir ging, würde ich Aktivitäten und Kooperationen mit fast allen Migranten-und Seniorenorganisationen in München machen! Leider sind unsere zeitlichen Ressourcen sehr begrenzt, daher müssen wir immer schauen was möglich ist. Aber hoffentlich gewinnen wir in den kommenden Monaten neue Kooperationen und organisieren neue Aktivitäten mit neuen Kooperationspartnern.

6- Gibt es neue Ideen in der Pipeline? Gebt uns einen Ausblick!

Ja! Es gibt zwei Ideen für die kommenden Monate, die wir hoffentlich realisieren können! Zum einen wollen wir die schriftlichen Deutschkenntnisse der Einwanderer verbessern und die Einsamkeit der Senioren überwinden, zum anderen wollen wir die Vielfalt und Toleranz in München fördern. Es bleibt spannend!