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​​​Bunte Briefe als Modell für Brieffreundschaftsprojekte​ ​ ​​

Von Julia Schneider ​ ​​

Einen Brief von einem Freund im Briefkasten vorzufinden, löst Glücksgefühle aus. Nette Worte zu lesen, lässt diese positiven Gefühle noch steigern, da sie vielleicht schöne Erinnerungen wecken oder über andere tolle Erlebnisse berichten. Allerdings ist die Post nicht nur vor und zu Weihnachten überlastet. Beschwerden über die Post häuften sich in letzter Zeit. Allein im Oktober und November berichtet der Berliner „Tagesspiegel“ von 17.000 Beschwerden. In einigen Regionen wird sogar behauptet, es seien wochenlang keine Briefe zugestellt worden.  

Doch wer schreibt noch Briefe? Das ist durchaus eine berechtigte Frage, denn Voraussetzung, um einen Brief zustellen zu können, ist, dass zuvor ein solcher verfasst worden ist. Wie bei einem Tandemfahrrad braucht man zwei Personen, um voranzukommen. So auch beim Schreiben! Wenn man nun das Gefühl hat, wochenlang keine Post mehr bekommen zu haben, kann dies daran liegen, dass einem niemand geschrieben hat. Das mag traurig sein. Aber manchmal eben wahr. 

Ich habe schon seit Ewigkeiten keinen Brief mehr geschrieben, also einen mit Tinte und Füller. Das mag zum einen daran liegen, dass ich meist keinen Füller zur Hand habe, und wenn doch, habe ich keine Tinte. Zum anderen könnte es aber auch nur eine Ausrede sein. Denn in den seltenen Fällen, in denen ich sowohl Füller als auch Tinte habe und dann auch noch Papier, Umschlag sowie eine Briefmarke schreibe ich immer noch keinen Brief. Das ist in den meisten Fällen nicht schlimm … zumindest rede ich mir das ein. Ich kann ja eine SMS, eine E-Mail oder eine WhatsApp-Nachricht schicken. Ich kann auch per Signal, Twitter, Instagram oder Telegram eine Botschaft versenden … eben auf dem digitalen Weg. Es ist entschieden genug, diese ganzen Nachrichtendienste verbal zu bedienen, sodass ganz selten etwas für das Papier übrig bleibt. 

Natürlich gibt es in meiner Vorstellung diesen Menschen, der ich sein könnte, der an seinem Schreibtisch sitzt und Zeilen mit Tinte auf Papier gießen lässt, dieses in einen Umschlag steckt und zur Post bringt. Aber dieses Ich ist von mir genauso weit entfernt wie der Typ, der gemütlich in seinem Sessel sitzt und stundenlang ein gutes Buch als Printexemplar liest. Der Sessel ist da, das Buch ebenso – nur ich fehle in der Kulisse. In den meisten Fällen hänge ich über meinem Laptop, tippe wild mit den Fingern auf der Tastatur herum oder starre in mein Smartphone. Ich schreibe so wenige Briefe, dass ich schon gar keine Ahnung mehr davon habe, wie meine Handschrift aussieht. Ich fürchte, nicht gut. Wer also einmal einen Brief von mir bekäme, könnte ihn wahrscheinlich nur schwer entziffern – ähnlich zu Hieroglyphen. Wenn ich mal Post bekomme, ist das meistens keine angenehme. Etwas, das heute noch gern mit der Post verschickt wird, sind meinem Gefühl zufolge Rechnungen. Zumeist landen bei mir überwiegend Zahlungsaufforderungen oder Benachrichtigungen über Preisanpassungen im Briefkasten. Und wenn keine Benachrichtigung oder Rechnung kommt, dann eine Mahnung. Und wenn keine Mahnung kommt, dann kommt ein Inkasso-Bescheid … nein, ganz so extrem ist es zum Glück noch nicht.  

Es bleibt aber festzuhalten: An den Briefkasten zu gehen, bereitet also in den meisten Fällen keinen Spaß. Ich würde es als nicht unangenehm empfinden, in einem Bezirk in Deutschland zu wohnen, wo wochenlang keine Post kommt. Ich glaube, so eine konsequente Nichtzustellung hätte auch für den einen oder anderen aus meinem Umkreis einen gewissen Charme. Ein solcher Service wäre eventuell sogar einen Gedanken wert – wenn nicht Projekte wie „Bunte Briefe“ existieren würden.  

Dieses Brieffreundschaftsprojekt zwischen Senior:innen und Zugewanderten ist ein wahrer Segen, denn es bietet die Möglichkeit, neue Beziehungen aufzubauen, Lebenserfahrungen und Erinnerungen auszutauschen sowie die Schreibkompetenzen zu verbessern. Ziel eines solchen Brieftandems ist es, dass sich nach dem brieflichen Austausch die Chance für ein persönliches Treffen und eine langfristige Freundschaft ergibt, welche auch nach der Teilnahme an diesem Projekt bleibt.  

Bunte Briefe ist das zweite Projekt des Vereins Leb Bunt e.V. und es wurden mittlerweile mehr als 750 (!) Briefe ausgetauscht. Und jüngst ist das Projekt auch für Deutsche unter 60 Jahre geöffnet worden.  

Möchtest auch du dich zukünftig wieder über postalische Zustellungen freuen und mit Lust an den Briefkasten gehen? Bei Interesse schreibe uns gerne eine E-Mail an buntebriefe@leb-bunt.org. Das Projekt läuft nur bis Ende Januar … also schnell anmelden! 😉 

Auf Wiedersehen und vielleicht bis bald!